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Gegen die Enge oder Geist wird Form

Der Stutengarten (Stich)

Stuttgart mit Schlossgarten 1852
Lithografie von Friedrich Wagner + Friedrich Federer

Stuttgart—Jahrtausende benötigte der Nesenbach für die Ausräumung des rund drei Kilometer langen Tals als einzige öffnung aus dem Stuttgarter Becken bis zum Neckartal. Es wird wohl eine sumpfige Wiesenaue mit zunehmendem Bewuchs bis zur umgebenden waldbekrönten Berg- und Hügelwelt gewesen sein. Warum hat sich gerade in diesem unzugänglichen, abgeschiedenen Becken eine Stadt entwickelt?

Am 10. August 955 schlug Otto der Große, der spätere Niedersachsen-Kaiser, die Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg mit deren eigener, inzwischen von ihm weiterentwickelter Waffe, einem überlegenen Reiterheer. Danach meinte jeder Groß- und Duodezfürst, diese Waffe, Pferde, auch anschaffen zu müssen, nachrüsten zu müssen. So auch Herzog Ludolf von Schwaben, unglücklicher Kurzzeit-Regent von 949 bis 954. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort, wo die notwendigen Pferde untergebracht und gezüchtet werden könnten, wurde, abseits vom Neckartal, umgeben von Bergen, der Talkessel – Wiesen und Seen in der Mitte, nur durch eine öffnung, das Nesenbachtal zugänglich – entdeckt. Dort war reichlich Platz, waren beste Voraussetzungen gegeben. Nicht um dort Pferde für Rennen, Dressur- und Springreiten, sondern um die neueste und wichtigste Rüstungsproduktion zu züchten – versteckt vor den Feinden. Dies der Grund weshalb Stuttgart hinten im Tal, im Becken liegt. Dieser Stutengarten war die Geburtsstunde Stuttgarts. Umgeben von einer Absteckung, darin ein steinernes Wächter-/Stuthaus, dort wo das älteste, den Krieg überlebende, 1950 abgebrochene "Steinerne Haus" stand, neben der heutigen Stiftskirche. Daraus wurde ein Hof, ein Weiler, eine Burg, ein Dorf, ein Städtchen, eine Stadt, die heutige Landeshauptstadt Stuttgart.

Dieser Zustand, Pferdezucht, in einer vom Nesenbach durchflossenen, gelegentlich überschwemmten Auen- und Weidelandschaft, dauerte bis in das 14. Jahrhundert. Biotop würde man heute dazu sagen und sinnend davor stehen. Was ist davon geblieben? Die konventionellen Reiterheere wurden in den folgenden Jahrhunderten immer unwichtiger, militärisch fast überflüssig, ja hinderlich, weil äußerst verwundbar. Ersetzt durch Maschinen zum Töten, für die man keinen Stutengarten, sondern unterirdische Fabrikationshallen benötigte. Pferdeheilige, ein Rösslein ist geblieben, tausendfach als Wappen der Stadt reproduziert. Einige stehen seligen Angedenkens im Schlossgarten, die Rossebändiger-Gruppe.

Mit dem Lustgarten Richtung Neckar

Erst Mitte des 14. Jahrhunderts dachten die ersten Grafen von Württemberg daran, außerhalb ihrer introvertierten Wasserburg Gärten anzulegen, dem Wildwuchs abzutrotzen, parallel zum Schlossausbau zu einer Vierflügelanlage die Gärten zu erweitern. Der Herzogingarten neben dem Schloss (heutiger Karlsplatz), der kleinere Lustgarten als nächster bescheidener Schritt in Richtung Neckar mit dem Alten (1554-1563) und Neuen (1583-1593) Lusthaus. Das Zentrum der Herzogs-, der Königs-, der Landeshauptstadt mit ihren Bauten – Schlösser, Königsbau und Theater – stehen auf dem Boden des Gestüts. Hier begann die Abfolge der Gärten, die später bis zum Rosensteinpark und zum Neckar fortgesetzt wurde. Nach dem kleineren folgte der größere Teil des Lustgartens bis in etwa dorthin, wo heute die traurige Lusthausruine steht. Bis ins 16. Jahrhundert "Turgartt" und "Tirgart" genannt, einer der wenigen Renaissance-Höhepunkte nördlich der Alpen, der nach Decker-Hauff "in ganz Europa berühmte Zier- und Lustgarten" mit seinen Bauten, Rückgrat der "königlichen Anlagen". Ganz im Gegenteil zu ihrer heutigen Geringschätzung.

Das 17. und 18. Jahrhundert hatte kein Interesse an dem Erhalt oder gar der Erweiterung des Lustgartens. Kriege und ihre Nachwehen, die Verlagerung der Residenz nach Ludwigsburg und Rückverlagerung nach Stuttgart standen im Mittelpunkt. Balthasar Neumann, Nicolas de Pigage und R. F. H. Fischer brachten sich mit Entwürfen für eine barocke Gartenanlage in Erinnerung. Keiner dieser Entwürfe wurde ausgeführt. Erst nach Ende der Napoleonischen Kriege und der Ernennung Herzog Friedrichs (1754-1816) von Napoleons Gnaden 1806 zum ersten König Württembergs, erlebte Stuttgart einen städtebaulichen Schub. Die bisher herzogliche musste zur königlichen Residenzstadt ausgebaut werden.

Ausgehend von der von Retti begonnenen Schlossanlage sollte ein repräsentativer königlicher Park angelegt werden. Bereits 1807 legte der nun königliche Hofarchitekt Nicolaus Friedrich von Thouret (1767-1845) einen Generalplan für die königliche Residenz vor. Wesentlicher Teil des Plans war die Gestaltung der Schlossanlagen im Zuge des Nesenbachtales bis zum Neckartor. Friedrich segnete diesen Plan mit dem berühmten "So soll es seyn" ab.

Stilistisch war der Park eine Stuttgarter Mixtur von verschiedenen Elementen: Barock-klassizistische Achsensysteme, Hauptachse auf den Seitenflügel des Schlosses ausgerichtet, Elemente englischer Landschaftsparks, des Englischen Gartens in München (1789), Elemente der Ludwigsburger Schlossanlagen und (verformte) natürliche Elemente, etwa des Nesenbachs. Es entstand ein mit Zäunen, Hecken und Wachtürmen umgebener 40 Hektar großer Park, der mit vielen Reglementierungen der Bevölkerung als Volksgarten zur Verfügung gestellt wurde.

Anschluss an die große weite Welt

Kaum waren die oberen Schlossgartenanlagen 1808 eingeweiht, sollten sie über den Mittleren, den Unteren Schlossgarten bis zum "Kahlenstein", dem heutigen Rosenstein, verlängert werden. Als Rückgrat eine, heute weitgehend noch vorhandene, über 1,5 km lange Platanenallee, ausgerichtet auf den Turm der Cannstatter Stadtkirche, als lockeres Gegenstück der geschwungene, gelegentlich zu Seen aufgestaute Nesenbach und ein freies Wegesystem. 1812/13 mit der Ausführung begonnen, wurde die künstlichnatürliche Beziehung aus dem Stuttgarter Becken, dem früheren Stutengarten, bis zum Neckar fortgeführt.

Platanenalle 19. bis 21. Jahrhundert

Platanenalle 19. bis 21. Jahrhundert

Nicht nur die Beziehung vom Schloss zu seinem am Neckar liegenden Landhaus Bellevue, sondern der sichtbare Anschluss an die große weite Welt, an den Geist der durch das Neckartal braust, war Friedrich wichtig – und ist uns heute für die geistige und klimatische Entlüftung des Beckens bedeutsam. Auch in anderer Hinsicht wurde eine Beziehung zu den Ursprüngen der Stadt hergestellt. König Wilhelm I. (1781-1864) war ein leidenschaftlicher Pferdezüchter. Die vom Hofbildhauer Ludwig von Hofer geschaffene Rossebändiger-Gruppe am Rondell am Beginn der Platanenallee im Unteren Schlossgarten erinnert an diese Leidenschaft.

Parallel zur Eröffnung des Unteren Schlossgartens 1812 wurde, von Friedrich I. initiiert und von Wilhelm I. zügig fortgesetzt – er wollte eine zeitlang Bad Cannstatt zum Regierungssitz machen – der nächste Park-Abschnitt begonnen, der später nach der Lieblingsblume der Königin Katharina (1788-1819) benannte Rosensteinpark. Mit zum Teil rigorosen hoheitlichen Maßnahmen wurden "Wengerter" und Landwirte gezwungen, ihre Grundstücke an das Königshaus abzutreten. Wie in den Jahrhunderten zuvor Architekten nach Italien zum Studium der dortigen Architektur, wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts Hofgärtner, in diesem Fall Johann Wilhelm Bosch, nach England und Schottland geschickt, um die dortige Landschaftsarchitektur zu studieren. Nach Boschs Rückkehr 1822 wurde der fast 100 Hektar große Rosensteinpark in englischem Stil nach dem sogenannten Zonierungsprinzip angelegt. Während die tiefer liegenden Schlossgartenanlagen durch den Verlauf des Nesenbachtals und die umgebenden Hänge geprägt wurden, wurden von dem höher liegenden Rosensteinpark Sicht-, Bild- und Bedeutungsbeziehungen in die umgebende städtische und landschaftliche Umgebung hergestellt. Hinein in das Neckartal, das Remstal, das Tal des Nesenbachs, die damaligen Ortschaften, die umgebenden Hügel und Berge bis zur Schwäbischen Alb. Aber auch zu den herausragenden Bauten – die Berger Kirche, die Villa Berg, die Grabkapelle auf dem Rotenberg. Der Rosensteinpark dehnte sich durch seine visuelle Verzahnung mit der umgebenden Landschaft weit über seine unmittelbare Begrenzung Größe aus. Wer dafür empfänglich ist, kann dieses Landschafts- und Zivilisationsgemälde heute noch erleben, obwohl durch die Entwicklung zur Industrieregion die ursprünglichen Bildkompositionen erheblich verändert wurden.

Letzte Perle in der Kette der unterschiedlichen Garten- und Landschaftsstile ist die "Wilhelma", eine maurische Gartenanlage. Eine wohl auf sich bezogene, topographisch durch eine Hangkante vom hochgelegenen Rosensteinpark abgetrennte in sich geschlossene Gartenanlage, jedoch visuell, thematisch nur im Zusammenhang, als Kontrasterlebnis zu dem benachbarten Rosensteinpark verständlich. Der romantische Eklektizismus Mitte des 19.Jahrhunderts entdeckte in Fortsetzung des antikisierenden Eklektizismus des Rosensteinparks die maurische Märchenwelt, die Alhambra, den maurischen Palast in Granada, Cordoba mit seiner Moschee und maurischen Bauten und Gartenanlagen. Der Bauherr König Wilhelm I. (1781-1864) veranlasste eine Expedition von Archäologen und Architekten nach Konstantinopel, Beirut, Jerusalem, Kairo, um die Märchenwelt vor Ort zu studieren. Karl Ludwig von Zanth (1796-1857), der Architekt der Wilhelma, war ein weitgereister, kenntnisreicher Mensch des 19. Jahrhunderts. 1837 begannen die Planungen für dieses "Märchen aus 1001 Nacht" in Stuttgart – und bis in die 1860er Jahre weitgehend realisiert. Villa Berg und Park Berg, die zeitlich, standortmässig und stilistisch letzte königliche Parkgründung – in den eklektizistischen Stilen des Historismus – schloss die Perlenkette in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ab.

Warum ein Garten kein Grünstreifen ist

Stuttgart – Welche Stadt hat eine derartige Fülle von Gartenanlagen und Interpretationen des Themas zu bieten? Stuttgart gelangte deshalb bereits im 17. Jahrhundert, vor allem aber im 19. Jahrhundert, zu Berühmtheit – zunächst an den dynastischen Höfen, später beim europäischen Bürgertum. Doch mit der Industrialisierung und der explosionsartigen Vergrößerung der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert wurde dieser Schatz zunehmend vernachlässigt. Bezüge wurden aufgelöst, Parks und Gärten als Baulandreserve missbraucht.

Zu erinnern ist etwa an die Eingriffe der Bahn ab der ersten Bahnanlage 1843 in die Schlossanlagen und in den Rosensteinpark. Ebenso an die Bauten des 19. und 20. Jahrhunderts in den Oberen und Mittleren Schlossgartenanlagen – vom Königlichen Katharinenstift bis zu den Theatern. Nach dem Ende der Monarchie kamen die Hofgärten als Krongut in staatlichen Besitz. Die Begehrlichkeiten nahmen zu, man bediente sich all- und allerseits des königlichen Erbes. Nicht vergessen werden sollten die überlegungen von Paul Bonatz, die Technische Hochschule im Rosensteinpark zu errichten, und erinnert sei an die Planungen unter dem Hakenkreuz Hitlerdeutschlands – für ein Gauforum und eine Park-Autobahn in der Schlossgartenanlage.

Wer heute den Zugewinn von Grün- und Parkflächen als Hauptvorteil des geplanten Verkehrs- und Städtebauprojekts Stuttgart 21 benennt, vergisst, wie rücksichtslos sich Land, Stadt und Bahn über Jahrzehnte der königlichen Park- und Gartenanlagen als Baulandreserve bedienten. Zu nennen sind die massiven Eingriffe der Bahn durch die Verlegung des Bahnhofs von der Bolzstrasse an den heutigen Standort, die Erweiterungen bis zur Platanenallee und in den Rosensteinpark hinein. Zu nennen ist die Stadt mit der Anlage und der Verbreiterung der Schiller-, Neckar-, Ehmann-, Cannstatter-, Heilbronner- und Wolframstrasse. Vor allem die verschiedenen Talquerungen, die ohne Verständnis der Grundstruktur der Stadt und des Charakters der Parkanlagen durchgeführt wurden, fügten diesem Schatz der Stadt erheblichen Schaden zu – zum Beispiel mit der Planie, der Schillerstraße und der verlängerten Wolframstraße.

Der City-Ring frisst Grün

Der Raubbau ging nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der die Anlagen ohnehin erheblich in Mitleidenschaft gezogen hatte, weiter. Bahn und Post okkupierten weiter große Flächen der Mittleren Anlagen und des Rosensteinparks. Die Stadt nahm für die Durchführung des autobahnähnlichen City-Rings, die damit verbundene Verbreiterung und Neuanlage von Straßen große Flächen der Parkanlagen in Anspruch. Otto Feucht warnte 1950: "...Oder sollten wirklich die Stuttgarter heute in den Anlagen nur noch ein Verkehrshindernis sehen, das man nicht schnell genug zum Grünstreifen herabdrücken oder gar einmal ganz beseitigen kann?"

Selbst Paul Bonatz setzte sich für einen 2,5 km langen autobahnähnlichen, an der Champs Elysée in Paris und der Tiergartenstrasse in Berlin orientierten "Parkway" vom Neckar bis zur Innenstadt durch die Schlossgartenanlagen ein. Die Stadt beabsichtigte eine Entlastungsstrasse parallel zur Neckarstrasse durch die Anlagen zu bauen. Einer der schwerwiegendsten Eingriffe der 1950er Jahre war der Bau des Omnibusbahnhofs (Bild unten) auf Parkflächen und seine Verlängerung bis zur Schillerstrasse.

Zentraler Omnibus-Bahnhof

Zentraler Omnibus-Bahnhof ZOB

Obwohl der Obere Schlossgarten im Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, blieben wesentliche Elemente der historischen Anlage erhalten. Diese wurden bei der Planung der Gartenschau 1957 restlos beseitigt und durch eine "moderne Lösung" ersetzt. Anstelle des auf die umgebenden Gebäude ausgerichteten ovalen Epaulettensees wurde trotz heftiger Proteste der wenig auf die Umgebung eingehende Sieben-Ecksee gesetzt. Die noch erhaltenen gärtnerischen und räumlichen Strukturen wurden beseitigt. Durch den gleichzeitigen achtspurigen Ausbau der Schillerstrasse und dichtes begleitendes Grün wurde der Obere Schlossgarten von den Mittleren Anlagen als selbständiger Grünraum vollends abgetrennt. Jenseits der Schillerstrasse wurde der Mittlere Schlossgarten im Zuge der Gartenschau 1961 mit geringer Rücksichtnahme auf den historischen Gesamtzusammenhang und noch vorhandene historische Spuren zu einem modernen Freizeit- und Erholungspark von einiger Qualität umgebaut. Im Mittelpunkt der Gartenschau 1977 standen der Untere Schlossgarten und der Rosensteinpark. Als Reaktion auf die abriss- und veränderungswütigen 1950er und 1960er Jahre wurde auf den Erhalt historischer Strukturen, etwa der Platanenallee und des Charakters eines englischen Landschaftsparks, Wert gelegt und für den Abschluss der Anlagen zum Neckar durch überdeckelung der Bundesstrassen eine befriedigende Lösung erreicht.

Bedauernd muss man feststellen, dass die Eindeutigkeit und Großzügigkeit der Stuttgarter Anlagen, Kernstück der Thouretsche Gesamtplan, nicht mehr vorhanden sind. Ausdruck der Missachtung dieses Kleinods ist, dass die Parkanlagen erst 1995 nach dem Denkmalschutzgesetz (DSCHG) und nur nach Paragraf zwei in die Liste der Kulturdenkmale aufgenommen wurden.

Schwerwiegende Eingriffe bei Stuttgart 21

Und doch: Trotz dieser Einschränkungen, Eingriffe und Amputationen besitzt Stuttgart mit dieser, teilweise nur noch in Spuren vorhandenen landschafts- und gartenkünstlerischen, gartentypo-logischen Abfolge vom Schloss bis zum Neckar, vom Unteren, Mittleren, Oberen Schlossgarten über den Rosensteinpark bis zum Park der Villa Berg – mit dieser Perlenkette – noch heute ein Gartenlesebuch von einmaligem Reichtum. Ist man sich dieses Reichtums der Gartenkunst nicht bewusst? Wieder werden schwerwiegenden Eingriffe geplant, nun durch Stuttgart 21. Vor allem der durch die Tiefer- und Querlegung des Bahnhofs bedingte Kahlschlag von Hunderten jahrhunderte-alter Bäume, die mit rund 25 ungefähr fünf Meter hohen "Lichtaugen" bestückte Aufwölbung von über 100 Meter Breite und bis zu neun Meter Höhe des "Mittleren Schlossgartens" zwischen Hauptbahnhof und Willy-Brandt-Straße parallel zur Schillerstrasse, mitten durch den früheren Lustgarten, würde der natürliche und historische Zusammenhang zwischen dem Stuttgarter Talkessel und dem Neckartal vollends aufgelöst werden.

Visualisierung

Simulierter Blick vom Standpunkt "Hotel am Schlossgarten" aus über die Schillerstrasse in Richtung Mittlerer Schloss-garten: Der zum Bahnhof hin bis auf 9 Meter Höhe ansteigende „Wall 21“ mit seinen bizarren Lichtaugen-“Pickeln“ zur Belichtung des darunter liegenden „Stuttgart-21“-Tiefbahnhofs.
Visualisierung: Ostertag / pro-eleven

Unterbrochen würden ebenso die gedanklichen, kulturellen, räumlichen, topografischen, visuellen Bedeutungen und Beziehungen (Augenhöhe ca. 1,5 m) wie die natürlichen Beziehungen, der Grund- und Mineralwasserströme, des verdolten Nesenbachs, der Luftströme.

Über den beabsichtigten Teilabriss des Bonatz'schen Hauptbahnhofs wird gestritten, über die Beeinträchtigung weiterer unter Denkmalschutz stehender Gebäude und Objekte der Umgebung weniger, über die beabsichtigten Eingriffe in das königliche Erbe – die Parkanlagen, Kleinod und Keimzelle Stuttgarts – wird geschwiegen. Doch Park- und Gartenanlagen gehören ebenso wie Gebäude, Straßen und Plätze zum Erbe der europäischen Stadt. Eingriffe in deren Substanz kommen mindestens der in Gebäuden gleich. Ja sie sind noch schlimmer, sie würden die Visitenkarte, den Charakter, die Identität, das Grundgesetz der Stadt fundamental infrage stellen. über die Anlagen wurde die Welt in die Stuttgarter Welt hereingeholt. Es würde Stuttgart und den Verantwortlichen gut anstehen, wenn sie das auch ohne Stuttgart 21 längst freiwerdende Gelände nicht als Vermarktungsfläche von Bruttogeschossfläche verstehen würden. Wenn sie die Geschichte des Nehmens beenden würden, die Chance sähen, die Einmaligkeit unserer Stadt wiederzu-gewinnen. Stuttgart muss sich nur wieder auf seinen Ursprung, auf seine in seinem Namen enthaltenen Verpflichtungen besinnen. Geschrieben stand: "Es war einmal ein Tal, eine Perlenkette von Parkcharakteren, ein Lesebuch über Gärten" – daraus kann eine Park- und Bewusstseins-Landschaft werden, die ihresgleichen sucht.

Prof. Roland Ostertag ist Architekt in Stuttgart.